Was ist eigentlich ‚guter Journalismus‘? Ist politisches Engagement mit einer Tätigkeit als Journalist vereinbar? Und warum sollte die Unterschrift namentliche Zeichnung eines offenen Briefs, der an die ParlamentarierInnen einer ‚politischen Hochschulgruppe‚ gerichtet war, meine Eignung und journalistischen Fähigkeiten grundsätzlich in Frage stellen? Ein Kommentar in eigener Sache.

Neulich bewarb ich mich bei der FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) der Ruhr-Universität Bochum um die ausgeschriebene Stelle als BSZ-RedakteurIn. Die Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung (BSZ), die sich selbst als „älteste kontinuierlich erscheinende Studierendenzeitung der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnet und im Semester wöchentlich erscheint, wäre für mich als angehender Journalist natürlich eine ‚tolle Adresse‘. Eine Chance, mein Können produktiv unter Beweis zu stellen. Über hochschulpolitische Themen und Ereignisse sowie kulturelle Veranstaltungen an der RUB möchte ich vorwiegend berichten, gab ich in meinem Bewerbungsschreiben bekannt.

Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens der FSVK fand am vergangenen Montag schließlich eine „Befragung“ statt, bei der sich alle drei Bewerber den anwesenden VertreterInnen der Fachschaftsräte und dem AStA (u.a. Herausgeber der BSZ) ausführlicher vorstellen konnten.

‚Willst Du dem neuen AStA nur einen reinwürgen?‘

Nach der allgemeinen Vorstellung der Kandidaten ging es dann nicht zimperlich zur Sache: In zahlreichen Fragen, die fast ausschließlich meine Person adressierten, wurde fast systematisch der Eindruck heraufbeschworen, als habe meine Bewerbung als BSZ-Redakteur hauptsächlich ‚politische Gründe‘. Dies ist auch der Anlaß für diesen Blogbeitrag.

Die nachfolgenden Zitate entstammen dem Protokoll der FSVK-Sitzung vom 23. April, welches am vergangenen Donnerstag veröffentlicht und in der Form eines Rundbriefs (Nr. 672) an alle Fachschaftsräte versandt worden ist. (Die Hervorhebungen stammen von mir 😉 )

„Du hast vorhin über die persönliche Betroffenheit der aktuellen Redaktion gesprochen und das Du dies anders machen möchtest. Wie willst‘ das denn verbinden, wenn Du es doch auch warst, der einen offenen Brief unterschrieben hat, welcher gegen die aktuelle Koalition des jetzigen AStAs gegangen ist?“

(Simon Gutleben – AStA-Vorstand, Juso-HSG – vgl. FSVK-Protokoll / Rundbrief Nr. 672, S. 14)

„[…] Hast Du uns da nicht eben angelogen als Du meintest, daß Du politisch neutral sein kannst?“

(M. Reza Pourkhessalian – „AStA“, NAWI-HSG – ebd. S. 16f)

„[…] Willst Du dem neuen AStA auch nur einen reinwürgen […]? Ist das dann noch […] journalistische Aufklärung oder […] nur noch eine persönliche Racheaktion?“

(Helena Patané – Gremienberaterin des AStA, „Listenlos“ bzw. früher: GHG – ebd. S. 17f)

‚Selber Schuld!‚ könnte man ja sagen – warum schreibe ich auch in ein Bewerbungsschreiben, daß mir „politisches Engagement“ persönlich wichtig ist? Eine mögliche Formulierung, um meine bisherige Kandidatur zum Studierendenparlament (StuPa) offenzulegen. Eher nebensächlich ist hier der Umstand, daß die Grüne Hochschulgruppe (GHG) – für die ich angetreten bin – nun in die Opposition gegangen ist. Vielleicht vermag es die nett formulierten Unterstellungen des neuen AStA erklären?

Die höchst brisante Frage, ob ein solcher offener Brief in der Funktion bzw. Position eines Redakteurs unterschrieben werden sollte (und ob dies die Bewerber denn tun würden), durfte natürlich nicht fehlen. Die Fragen wurden alle mündlich beantwortet und im Protokoll schriftlich festgehalten. Dies lasse ich auch so stehen – bis auf die Tatsache, daß während der Befragung sehr oft der Begriff der „Neutralität“ gewählt wurde. Da es dabei ja um die künftige Berichterstattung ging, gehe ich davon aus, daß wohl eher „Unbefangenheit“ oder „Unparteilichkeit“ gemeint war? Aus dieser Sicht hatte ich die Frage, ob ich denn „politisch neutral sein“ könne, mit „ja“ beantwortet (vgl. Protokoll S. 17).

Journalismus …

Kommen wir also zurück auf die Eingangsfragen dieses Blogbeitrags: Durchaus berechtigte, ethische Grundsatzfragen, mit denen sich jeder Journalist zumindest einmal selbstkritisch auseinandergesetzt haben sollte. Vor allem natürlich, wenn er selbst über politische Zusammenhänge schreibt. Und Fragen, welche man im Rahmen der oben genannten Befragung durchaus so hätte formulieren können. 😉

  • Was ist guter Journalismus?
  • Ist politisches Engagement mit einer Tätigkeit als Journalist vereinbar?

Was nun ‚guter Journalismus‘ ist bzw. was einen guten Journalist ausmacht ist nicht einfach zu beantworten. Gründliche Recherche, treffende Formulierungen und die Fähigkeit, die Fakten richtig in Szene zu setzen sind die eher ‚technischen‘ Grundvoraussetzungen. Neutralität bzw. Objektivität und Unbefangenheit vom eigentlichen Geschehen sind Idealvorstellungen, die man durchaus verfolgen kann und sollte. Journalismus kann allerdings, realistisch betrachtet, nie ganz „neutral“ sein. Jede Zeitung, Zeitschrift oder auch Blogs und andere elektronische Medien haben ihre politische Färbung – so auch die BSZ. Was guten Journalismus also ausmacht, ist die Betrachtung verschiedener Perspektiven. Die persönliche Meinung des Journalisten sollte dabei also keine Rolle spielen, auch nicht indem er nur bestimmte Aspekte erwähnt oder andere besonders hervorhebt. Außer natürlich, er schreibt einen „Kommentar„.

Die zweite Frage läßt sich hingegen kaum richtig beantworten. Spätestens beim Versuch dies zu tun, stellt sich unweigerlich die Frage, wie weit das „politische Engagement“ denn geht und wo man eine Grenze zieht. Ich fühle mich an die 2009 sehr umfassend und grundsätzlich geführten Diskussionen erinnert, die im Zusammenhang mit dem ehemaligen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender geführt worden sind. Es ging damals also auch darum, ob ein „guter Journalist“ Mitglied einer Partei sein darf. „Journalists do not take part in politics.zitiert der Blog der Axel-Springer-Akademie die Regel 89 der Mitarbeiter-Richtlinie der New York Times. Auch der Ethikrat der Akademie für Publizistik in Hamburg vertritt hier zusammenfassend die gleiche Ansicht – u.a. unter Berufung auf den Pressekodex des Deutschen Presserats, welcher lediglich eine „strikte Trennung dieser Funktionen“ fordert. Es geht, kurzgefaßt, um die Glaubwürdigkeit eines Journalisten –

… und politisches Engagement

Aus dieser Perspektive wäre also zunächst zu prüfen, ob ich Mitglied einer politischen Partei geworden bin, indem ich meinen Namen auf die StuPa-Wahllisten der GHG setzen ließ. Soviel ich das als juristischer Laie beurteilen kann, ist dies nicht der Fall. (Eine weitere Frage wäre, ob eine politische Hochschulgruppe überhaupt als „Partei“ verstanden werden kann.) Doch wo zieht man hier eine Grenze? Wo beginnt ‚politisches Engagement‘ in einem Sinne, indem es ein ‚guter Journalist‘ nicht mehr vertreten könnte?  Als „politisches Engagement“ im weitesten Sinne könnte man auch das Schreiben eines Blogs (u.a. auch das Schreiben dieses Textes) betrachten. Auch jede Äußerung in einem Facebook-Profil, das nur den vermeintlichen „Freunden“ angezeigt wird, kann durchaus sehr politisch sein. Teile des heute amtierenden AStAs können diesbezüglich ja bereits aus quasi ‚eigener Erfahrung‘ sprechen.

FB_StuPa2012_WahlzeitungFakt ist (wie der neue AStA gern zu schreiben pflegt), daß ich innerhalb der GHG eher ‚beobachtend‘ an dem Geschehen teilnahm und keinerlei politische Ämter trage oder getragen habe. Bis auf einige wenige Beiträge auf Facebook habe ich noch nicht mal „Wahlkampf“ für meine eigene Person betrieben.

Insofern halte ich mein bisheriges ‚politisches Engagement‘ im Sinne der bisherigen Ausführungen für absolut legitim und vertretbar. Gleiches gilt auch für den erwähnten Brief, auf den ich im Folgenden noch kurz eingehen werde. Sofern ich das FSVK-Mandat als BSZ-Redakteur erhalte, stehe ich auch nicht mehr als Kandidat für die Wahlen zum StuPa zur Verfügung. Ein Mann, ein Wort. 😉

Der offene Brief: „WählerInnentäuschung“

Lassen wir die U35 unter der Uni-Brücke und den AStA im Studierendenhaus: Worauf gründeten die zahlreichen Unterstellungen während der Befragung? Da war ja noch dieser offene Briefan die gewählten Parlamentarier*innen der Grünen Hochschulgruppe„, welcher sich gegen die aktuelle StuPa-Koalition und den AStA richten solle. Eigentlich war der Brief vorwiegend an die MitgliederInnen der „Internationalen Liste“ (IL) gerichtet, welche bis zum 29. Februar eine gemeinsame Liste mit der GHG gebildet hatte. Drei Wochen nach Auszählung der Wahl gab es noch keine Koalitionsverhandlungen der GHG – weder mit ihren früheren Koalitionspartnern noch mit den anderen Hochschulgruppen. Statt dessen wurde – wie der Brief zeigt – bereits erkennbar, daß einige gewählte ParlamentarierInnen möglicherweise einen Bruch der IL und der GHG anstrebten, um jene Koalition zu ermöglichen, die wir heute haben. In diesem Kontext entstand dieser offene Brief, den ich namentlich zeichnete und den ich eigentlich auch nicht weiter kommentieren brauche. Seinen Zweck, die AStA-Bildung voranzutreiben, hat der Brief erfüllt.

Ein Blick auf die Wahlergebnisse sowie in die Satzung der Studierendenschaft und Wahlordnung genügt um festzustellen, daß der Wähler bzw. die Studierendenschaft die aktuelle Koalition wohl nicht gewünscht hat. Wie auch? Da die IL gemeinsam mit der GHG unter dem Namen „Liste 7: Grüne Hochschulgruppe“ zur Wahl angetreten war, erübrigen sich meiner Meinung nach auch Erklärungen, die sich auf die bloße Stimmenzahl einzelner KandidatInnen beziehen. So halte ich auch den im Brief gewählten Begriff der „WählerInnentäuschung“, der sich auch in der weiteren Berichterstattung der Presse gehalten hat, für absolut ‚angemessen‘. Die verschiedenen Stellungnahmen der einzelnen Hochschulgruppen, welche diese Umstände aus ihrer jeweils eigenen Sicht erklären, sind mir bekannt. (Die spätere Berichterstattung über „Islamismus-Vorwürfe“ gegen die IL gehören inhaltlich natürlich nicht an diese Stelle. Für einen umfassenden Einblick darüber, wie der heutige AStA zustande kam, empfiehlt sich aber auch die Lektüre reißerischer Blogartikel und die entsprechenden Stellungnahmen der IL und den anderen Hochschulgruppen. Weitere Artikel sind dort jeweils verlinkt.)

Mein Name unter besagtem Brief bezeugt allenfalls, daß der jetzige AStA nicht meinem persönlichen Wunsch entspricht und ich mich von einzelnen Personen massiv getäuscht fühle. Mehr aber auch nicht.

Kurz und schmerzlos – das Fazit

Ob ich nun für die BSZ schreiben werde oder nicht – das ist nicht meine Entscheidung. Heute Abend wird der/die neue BSZ-RedakteurIn gewählt. (Ich habe übrigens zwei ebenfalls sehr kompetente Mitbewerber!) Mein Kommentar zu der Befragung vom letzten Montag, den ich leider erst heute veröffentlichen konnte, kommt in Bezug auf die Wahl wohl etwas spät. Mündlich machte ich schon ausreichend deutlich, daß meine Bewerbung nicht aus politischen Motiven erfolgte; Dennoch war mir diese Richtigstellung wichtig.

Persönliche Angriffe dieser Art haben keinen Einfluß auf meine weitere journalistische Arbeit – auch nicht auf eine Berichterstattung über den aktuellen AStA und beteiligten Listen. Den AStA-Referenten wünsche ich an dieser Stelle ein erfolgreiches Jahr und hoffe, daß sie diese Zeit sinnvoll im Interesse der Studierendenschaft nutzen werden. In diesem Sinne liegt sicherlich auch ein selbstkritischer Umgang zu dem Thema, wie VertreterInnen der Studierendenschaft künftig mit der Presse umgehen sollten. Möglicherweise schreibe ich hier ja noch weitere Kommentare auf meinem Blog – als Privatperson, versteht sich. Ich hoffe nur, daß ich dann nicht denken muß: ‚Ach, da war doch mal was

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