Ein alter Hut, doch stets aktuell: manipulierte Rezensionen bei Amazon. Nun hat sich auch unter den Indie-Autoren eine Art Rezensions-Mafia gebildet, welche die Szene ernsthaft in Verruf bringen könnte: Eine „geheime“ Gruppe von Autoren, die Positiv-Bewertungen ihrer eBooks selbst schreiben oder von ihren Kollegen verfassen lassen. Eine andere Gruppe manipuliert die Verkaufszahlen ihrer eBooks. Was tun gegen die unseriöse Konkurrenz?

Wenn mir etwas gehörig auf die Nerven geht, dann sind das gerade die regelmäßig geposteten 5-Sterne-Rezensionen in allen möglichen Facebook-Gruppen*. Ungeniert freuen sich einige Autoren ganz öffentlich darüber, wie toll der Kollege das Buch denn angeblich findet. Daß der Rezensent selbst Autor ist, der in den gleichen Autoren-Foren aktiv ist, steht natürlich nicht dabei. Trotzdem kann man damit ja tolle Werbung machen! Fleißig wird der Link zu entsprechender Amazon-Rezension auf die eigene „Fanpage“ und in allen möglichen Leser- und Autoren-Gruppen gepostet. „Seht nur zu, wie toll mich alle finden!

Ob der rezensierende Kollege das Buch bzw. eBook überhaupt gelesen hat? In vielen Fällen wohl leider nicht: denn es handelt sich um  eine organisierte Rezensions-Mafia innerhalb der sog. Indie-Szene*.

Die ‚geheime‘ Rezi-Mafia formiert sich auf Facebook

Herr Adam* hat einen umfangreichen Fantasy-Roman geschrieben. Der perfekte „Bestseller“ in diesem Genre – davon ist er absolut überzeugt! Obwohl einige seiner Freunde bereits positiv über das eBook gebloggt haben, muß er bald feststellen, wie schlecht sich sein erst kürzlich veröffentlichtes eBook tatsächlich verkauft. Woran es wohl liegt? Er habe zu wenig Marketing betrieben, meint eine befreundete Autorin. So meldet sich Herr Adam in diversen Internetforen an und postet dort (in Facebook-Manier) den Hyperlink zu seinem eBook auf Amazon. Es hagelt an Kritik – und nicht nur wegen der plumpen Werbung: Zu viele Rechtschreibfehler, unausgereifter Story-Plot und Charaktere, die insgesamt ‚farblos‘ und wenig plastisch wirken. Auch bei Amazon hinterließ unterdessen ein enttäuschter Leser eine erste negative Rezension. Alles Quatsch, denkt sich unser Herr Adam. Die haben ja alle keine Ahnung!

Zurück bei Facebook erkundet Herr Adam frustriert die neuen Autorengruppen für „Indies“, die dort gerade überall wuchern.

Ein buntes Bild hier, ein kluger Kommentar dort – so bleibt man im Gespräch innerhalb der Szene. Dazwischen ein bißchen Eigenwerbung – und das Beste daran: Kritik geht in der Vielzahl der Posts schnell unter. Perfekt!

Schließlich stößt Herr Adam auf eine Gruppe, die gegenseitige Hilfe bei eBook-Veröffentlichungen verspricht. (Der Administrator der Gruppe ist ein bekannter Name* innerhalb der Szene.) Wenig später wird er in eine weitere Gruppe eingeladen, die lieber unentdeckt bleibt. Die gegenseitige „Autoren-Hilfe“ wird dort etwas näher konkretisiert: man schreibt sich u.a. gegenseitig Rezensionen auf Amazon. Wer wem und wann eine solche Rezension schreibt wird in entsprechenden Listen* ausführlich geplant.

Wenig später freut sich auch Herr Adam über zahlreiche 5-Sterne Rezensionen zu seinem vor wenigen Wochen erschienenen eBook. Das schreibt er auch öffentlich bei Facebook. Natürlich.

Falsche Rezensionen?

Amazon ist auch unter deutschen Autoren sehr beliebt geworden. Da man die dort erworbenen eBooks neben dem eigens vertriebenen Kindle auch auf den unterschiedlichsten (mobilen) Endgeräten* lesen kann, dürfte man als Autor einen weitaus größeren (potentiellen) Leserkreis ansprechen können als anderswo.  Ein Verkaufserfolg auf einem so „überladenen“ Internet-Verkaufportal wie Amazon lässt sich aber durchaus künstlich beeinflussen: z.B. durch (gefälschte) positive Kundenbewertungen. Natürlich kann man nun einwenden, daß der Kunde (bzw. in diesem Falle: der Leser) nicht „dumm“ sei und solche fingierten Bewertungen erkennen könne. Oftmals kann man solche Rezensionen tatsächlich relativ leicht* entlarven. Bei den beiden folgenden Beispielen* könnte es sich um Fake-Rezensionen handeln:

„Wow. Diese Geschichte hat mich voll gepackt, auch wenn ich nichts von der Materie verstehe. [… Erwähnung von Buchtitel und Autorenname …] Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen und habe es in einem Rutsch durchgelesen. [… Noch zwei kurze Sätze zum Inhalt]“

„Absolut überragend, weit über meinen Erwartungen und damit jeden Cent wert!!! Ich kann es nur weiterempfehlen mit 5 Sternen.“

Diese Rezensionen könnten so unter fast jedes beliebige Buch geschrieben werden. Allein dieser Hinweis genügt selbstverständlich nicht, um „falsche Rezensionen“ zu entlarven. Es mag ja durchaus auch ‚ehrliche‘ Rezensenten geben, die solche nichtssagenden Buchbewertungen verfassen. Etwas schlauer wird man allerdings, wenn man sich einzelne Rezensenten-Profile etwas genauer ansieht: Welche weiteren Bücher werden rezensiert? Ist der Rezensions-Umfang immer ähnlich „nichtssagend“? Wie groß ist das Interessensspektrum des jeweiligen „Lesers“? Ein spindeldürrer Mann (Profilfoto), der ein eBook in den höchsten Tönen lobt, mit dem man innerhalb kurzer Zeit >40kg abnehmen könne, erscheint mir zumindest unglaubwürdig. Gerade, wenn er das eBook erst zwei Tage vor der Rezension gekauft hat. (Im Zuge der Recherchen zu diesem Blogartikel war dies noch ein harmloses Beispiel, das ich so tatsächlich gesehen habe.) Ganz so offensichtlich ist es aber leider nicht immer. Ich habe viele gut bzw. glaubwürdig formulierte Rezensionen gelesen, die dennoch nicht „echt“ sind. Wie soll ein Leser – ohne gründliche Recherche – erkennen können, daß sich Rezensent und Autor bereits aus irgendwelchen sozialen Netzwerken kennen? Oder, daß in manchen Fällen bis zu 90% der vorhandenen Rezensionen des eBooks von Autoren stammen, die in genau den gleichen Internetforen aktiv sind?

Angesichts des durchschnittlichen Preises für ein eBook dürfte auch ernsthaft bezweifelt werden, daß ein Leser solchen Aufwand betreiben würde, nur um die Glaubwürdigkeit einzelner Produktbewertungen zu prüfen.

Schweigen aus Angst vor „Shitstorms“

Mir persönlich stellt sich spätestens hier die Frage, warum sich manche Autoren auf diese Weise unbedingt selbst ins Bein schießen* wollen. Ist es Naivität und Unwissenheit, die einzelne Autoren die illegalen Machenschaften dieser Rezi-Mafia tolerieren oder gar noch unterstützen läßt? Und jene, die sich selbst aktiv daran beteiligen: Denken sie, daß diese ganze Sache nicht irgendwann auffliegen würde? Vermutlich schon, denn wer den Mitgliedern entsprechender Facebook-Gruppen irgendwie unangenehm wird, der wird „kollektiv“ niedergetrampelt. Virtuell, versteht sich. In manchen Fällen wurden u.a. bereits Negativrezensionen zu den Büchern anderer Autoren geschrieben, um weitere unangenehme Kritik zu verhindern. Auch ich wurde mehrfach davor gewarnt, diesen Blogeintrag überhaupt zu schreiben. Nicht nur weil es ein schlechtes Licht auf die Indie-Szene werfen könnte. Vor allem auch, weil ich damit gleichzeitig einen „Shitstorm“ gegen mich und einige andere Autoren provoziere, die sich mehr oder weniger öffentlich gegen diese Praktiken positioniert haben. Nun denn, ich bin ja mal gespannt, was demnächst so über mich zu lesen sein wird!

Tatsache ist allerdings, daß diese ganze gegenseitige Rezensiererei der gesamten Indie-Szene schadet, auch wenn es bislang nur einzelne Akteure sind. Es ist auch mit Sicherheit ein ‚gefundenes Fressen‘ für Verlagsautoren, denen diese ganze ‚Indie-Chose‘ sowieso ein Dorn im Auge* ist.

Viele Autoren, die in den entsprechenden Foren oder Facebook-Gruppen aktiv sind, wissen darum – und trotzdem schweigen sie. Aus der Angst vor einem solchen Shitstorm? Aus der Angst, dadurch eigene Leser verlieren zu können? Aus der Furcht, die eigene Existenz auf’s Spiel zu setzen?! Dabei geht es ja auch um den Ruf der ganzen Indie-Szene, den diese sich erst noch mühsam erarbeiten muß!

Manipulierte Verkaufszahlen – Gag mit Wirkung?

Ich komme nochmal kurz zurück auf Herrn Adam, der sich ja offenbar „erfolgreich“ in den sozialen Netzwerken positioniert hat. Dies scheint ihm aber nicht genug zu sein: sein Werk verkauft sich ja – nach wie vor – unter aller Sau. (So verhält sich Herr Adam ja auch bei Facebook – wenn es denn jemand wagt, Kritik zu äußern. Zu Recht! Was will denn der dumme Pöbel?!!)

Herr Adam* hat einen umfangreichen Fantasy-Roman geschrieben. Der perfekte „Bestseller“ in diesem Genre – das hat nur noch niemand wahrgenommen!

Damit die Leute das auch mitbekommen, muß man entsprechende Zeichen setzen, indem man das Amazon-Verkaufs-Ranking beeinflusst. Man ist ja schließlich „Bestseller„? Sowas kann man natürlich nicht alleine bewerkstelligen- aber wozu haben wir denn Facebook? Herr Adam gründet also eine neue Facebook-Gruppe.

Versehentlich (?) schreibt er dort öffentlich:

„Was wollen wir mit dieser Gruppe erreichen? […] Ein Buch steigt im Amazonranking, wenn es gekauft wird. […] Also jeder kauft an einem bestimmten Tag das gleiche Buch, bis dieses mindestens in die Top 100 gelangt. Dort wird es von den Leuten dort wahrgenommen. […] Dann ist das nächste Buch an der Reihe. Gibt es dazu noch Fragen?“

Wenig später unterläuft Herrn Adam ein weiterer Fehler: Er postet in eine öffentliche Gruppe, was wohl als interne Nachricht an seine „Geheimgruppe“ gerichtet war. Darin enthalten sind die Namen einiger weiterer Beteiligten und ein ausführlich formulierter Plan, welche Bücher zunächst manipuliert werden sollen. Woanders liest man auch von einer Liste, die hierzu existieren soll. Selbst wenn mir diese Liste nicht vorliegt: Herr Adam postet – öffentlich und ungeniert – auf seinem Facebook-Profil, welche Bücher er denn gerade kauft und wie verwunschen die Tages-Rankings denn seien. Das geht nun schon eine ganze Weile so – und alle schauen zu.

Was tun?

Die Manipulation von Verkaufsrankings dürfte genauso „illegal“ sein wie die gefälschten Rezensionen auf Amazon. Doch was kann man dagegen tun? Ich habe absolut keine Lust, den berühmten „Internet-Polizisten“ zu spielen und entsprechende Leute bei Amazon u.a. zu melden (ihre eBooks würden dann vermutlich gelöscht/gesperrt). Auch habe ich Wichtigeres zu tun, als meine wertvolle Zeit für solche Dinge zu verschwenden. Dies werden vielleicht auch viele andere Autoren so sehen, die bisher nur betreten schweigen.

Aber was man relativ leicht tun kann:

  • Entsprechende Personen bzw. Autoren direkt darauf ansprechen. Gerne kann man dabei auch auf diesen Blogeintrag verweisen 😉 Allerdings wäre es naiv zu glauben, jemand würde dies zugeben, wenn bisherige Rezensionen „gefälscht“ wurden.
  • In seinen eigenen Rezensionen erwähnen, daß man selbst als Autor tätig ist und dies auch im Amazon-Profil kenntlich machen. Darüber hinaus: Wenn man den Autor des rezensierten eBooks bereits irgendwoher kennt, wäre das auch in einer Rezension als Hinweis angebracht.
  • Grundsätzlich keine (!) „Gefälligkeits-Rezension“ mit 5-Sternen schreiben. Gerade als Autor müßte man die Werke seiner Kollegen auf einer etwas anderen Ebene „begutachten“ können, als dies der durchschnittliche Leser vieleicht tun würde. Das heißt ja nicht, daß man nicht auch mal 5-Sterne vergeben kann, wenn etwas wirklich diese Bewertung verdient.

Was fällt Euch noch ein, was man ohne viel Aufwand aktiv tun kann?

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